"Zu wenig Zeit” ist sozusagen ein bekanntes Volksleiden geworden.
Aber warum?
Wer sich an seine Kindheit erinnert, der denkt an Freunde nach der Schule treffen und stundenlang draußen spielen, Sport und/oder Musik machen, Schwimmbad im Sommer, oder Spiele spielen. Der hat nicht an morgen gedacht. Und hatte schon gar eine to-do Liste. Was bitte, war denn das? Ich kann mich auch nicht erinnern, dass meine Mama oder Oma täglich eine eine to-do Liste mit sich rumschleppten oder gar abarbeiteten. Von einem Smartphone ganz zu schweigen. Nachträglich habe ich das Gefühl, meine Eltern hatten früher mehr Zeit, obwohl das Arbeiten nicht so flexibel war wie heute. Also, warum haben wir heute “gefühlt” so wenig Zeit?
Die meisten würden wohl darauf antworten: Weil wir einfach so viel zu tun haben! Aber ist das wirklich so?
Denn eigentlich verfügen wir über eine nie da gewesene Freiheit, denn die einstige Kombination aus einem Zwölf Stunden Tag und Sechs Tage Woche ist heute die Ausnahme. Und auch die Lebenserwartung hat sich während der vergangenen hundert Jahren nahezu verdoppelt. Wir hätten also eigentlich allen Grund, uns zu entspannen. Stattdessen fühlen wir uns gejagt.
Aber wie und wann sind wir zu Getriebenen geworden, die keine Zeit und keine Muse mehr haben (zu leben)?
Wir rennen Terminen, Projekten, dem Bus und unseren Träumen nach und lassen uns dabei von Uhrzeiten und Daten traktieren und hetzen. Und auch Abends haben wir zwar keine Zeit mehr für uns selbst, aber auch Gott-sei-Dank keine Kraft mehr, um darüber nachzudenken. Nur noch kurz das Abendessen machen, Hausaufgaben checken, Küche aufräumen, 148 Mails checken, die Welt News lesen und schauen, was die “Freunde” auf Facebook und Instagram so treiben.
Und wenn wir alles geschafft haben und die ganze Zeit exakt dorthin geflossen ist, wohin es uns der Kalender befohlen hat, dann erst klappen wir glücklich zusammen und nennen es Feierabend. Für Burn-Out war ja keine Zeit mehr!
Ich könnte eine Whatsapp Nachricht verpasst haben: E-Mails, SMS, Internet oder Smartphones: Wir leben unser Leben in ständiger Erreichbarkeit und Aufregung.
Und dem ständigen Gefühl, etwas “machen” zu müssen, etwas zu schaffen und zu erreichen. Und es ist natürlich auch ein gesellschaftliches anerkanntes Phänomen, wenn man hummel-fleißig soviel wie möglich schafft, nur um am nächsten Tag noch mehr zu schaffen. Denn natürlich nicken alle anerkennend, wenn man nebenbei noch schnell nachts Kekse für die Schule bäckt, den Pullover für sein Kind selbst strickt, sich weiterbildet, sein eigenes Brot backt und 10 statt 8 Stunden im Büro verbringt. Aber was hat man eigentlich davon? Man hat das getan, was man tun musste und für das was man gerne tun wollte bleibt eben keine Zeit mehr.
Ständige Erreichbarkeit und die Möglichkeit mal eben schnell aufs Handy zu schauen, überbordende Terminkalender und to-do Listen und der Druck “etwas tun zu müssen” weil faulenzen eben nicht zum guten Ton gehört. Diese Dinge lassen die Zeit verrinnen, ohne das man eigentlich welche (für sich) hatte!
Aber dann ist es hoffentlich doch irgendwann so, dass man sich wieder an früher erinnert, als man noch nicht wusste, wie die Uhr funktioniert und “tickte” und man das Einzige tat, was man jetzt leider immer höchstens aus Versehen hinbekommt: die Zeit einfach mal vergessen!
Eure Yvonne
The person you have called, is temporary not available.
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Sigi (Donnerstag, 08 Oktober 2020 18:03)
Was für eine realistisch Darstellung. Keiner will es wahr haben, aber es ist so. Sollte man die Zeit für sich selbst braucht auf die ' To-do-Liste' schreiben?
Weiterso Yvonne